Report: Araber in Schockstarre
Kairo (dpa) - Die arabischen Regime sind nach dem jüngsten WikiLeaks-Coup in eine Art Schockstarre gefallen. Denn die von der Internet-Plattform WikiLeaks publizierten Dokumente der Diplomaten ohne Maulkorb sind für sie nicht nur peinlich, sondern zum Teil auch politisch brandgefährlich.
Geheime Depeschen über die dralle ukrainische Krankenschwester des libyschen Revolutionsführers Muammar al-Gaddafi mögen vielleicht einen Wutanfall in Tripolis nach sich ziehen. Wirklich brisant sind sie nicht. Doch der Dauerkonflikt zwischen sunnitischen und schiitischen Muslimen im Irak, im Jemen, im Libanon, in Saudi-Arabien und Bahrain könnte durch die nun bekanntgewordenen Berichte aus den arabischen Hauptstädten weiter eskalieren. Das ohnehin schon große Misstrauen der Araber untereinander dürfte wieder zunehmen, was die Beilegung der vielen Krisen in der Region weiter erschweren dürfte - von der Palästina-Frage bis hin zum Krieg der Houthi-Rebellen gegen die jemenitische Regierung.
Denn aus den Berichten der US-Diplomatie geht ziemlich deutlich hervor, dass einige arabischen Herrscher nichts gegen eine Militärintervention der USA zur Zerstörung des iranischen Atomprogrammes hätten - eine Strategie, die sie öffentlich so bislang nicht geäußert haben. Kolportiert wird von den US-Diplomaten unter anderem, dass Ägyptens Präsident Husni Mubarak die Mächtigen in Teheran für «Lügner» hält und von einem «tiefen Hass auf die islamische Republik beseelt ist». Der Botschafter Adel al-Dschubair soll in einem Gespräch mit US-Diplomaten gesagt haben, König Abdullah von Saudi-Arabien habe Washington bereits 2008 in Bezug auf den Iran aufgefordert, «der Schlange den Kopf abzuschlagen».
Offiziell wollte sich zunächst keine arabische Regierung zu den Dokumenten äußern. Hinter den Kulissen suchte man derweil fieberhaft nach Ausweichstrategien. Die halbamtliche syrische Zeitung «Tischrin» streute am Montag Zweifel an der Echtheit der Dokumente. Die regierungsnahe irakische Zeitung «Al-Sabah» erklärte, Diplomaten seien nicht unfehlbar: «Es ist möglich, dass einige dieser Analysen und Einschätzungen falsch sind.» Der mit saudischen Geldern finanzierte Nachrichtensender Al-Arabija, der seinen Sitz in Dubai hat, berichtete zwar über die WikiLeaks-Dokumente. Alles, was die regionalen Herrscher und Probleme anging, wurde jedoch ausgeklammert. Im Außenministerium in Riad hieß es: «Kein Kommentar.»